Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden  
DrKnock.net
Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 101 Antworten
und wurde 3.949 mal aufgerufen
 Autoren
Seiten 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7
etoilee Offline

Sternschnuppe


Beiträge: 934

15.10.2002 12:58
#76 RE:William Shakespeare Antworten


Sonett LXV

Wenn Erz und Stein dem Todeswerk der Zeit,
Das Land und selbst das weite Meer erliegt,
Wie trotzte Schönheit der Vergänglichkeit,
Die leise sich wie eine Blume wiegt?
Wie bliebe in der Tage Sturm und Wettern
Der Honigduft des Sommers wohl erhalten,
Wenn unbezwungne Felsen niederschmettern
Und Eisentore vor der Zeit sich spalten?
Furchtbares Bild! Wo findet vor der Wut
Der Zeit ihr höchstes Kleinod eine Stätte?
Wer hemmt der Flücht'gen Lauf mit kühnem Mut,
Daß vor Vernichtung er die Schönheit rette?
Oh, niemand, wenn dies Wunder uns nicht trifft,
Daß hell mein Freund erstrahlt in schwarzer Schrift.

etoilee

etoilee Offline

Sternschnuppe


Beiträge: 934

15.10.2002 12:59
#77 RE:William Shakespeare Antworten


Sonett LXVI

Des Todes Ruh' ersehn' ich lebensmüd,
Seh' ich Verdienst als Bettler auf der Welt,
Und leeres Nichts zu höchstem Prunk erblüht,
Und reinste Treue, die im Meineid fällt,
Und goldne Ehre, die die Schande schmückt,
Und Mädchenunschuld roh dahingeschlachtet,
Und Kraft durch schwache Leitung unterdrückt,
Und echte Hoheit ungerecht verachtet,
Und Kunst geknebelt durch die Übermacht,
Und Unsinn herrschend auf der Weisheit Thron,
Und Einfalt als Einfältigkeit verlacht,
Und Knecht das Gute in des Bösen Fron,
Ja lebensmüd entging' ich gern der Pein,
Ließ den Geliebten nicht mein Tod allein.

etoilee

KäptnD Offline

Seebär


Beiträge: 509

17.10.2002 17:30
#78 RE:William Shakespeare Antworten

Sonett LXVII

Warum soll er in der Verpestung leben
Und Schande weihn durch seine Gegenwart,
Daß Laster kecker sich durch ihn erheben,
Daß Sünde sich mit seiner Reinheit paart?
Daß falsche Kunst, nachtäuschend sein Gesicht,
Den toten Glanz stiehlt von lebend'gen Wangen,
Daß dürft'ge Schönheit Schattenrosen flicht
Um ihre Stirn, wenn echt die seinen prangen?
Was soll er noch, seit die Natur verdorrt,
Selbst zum Erröten nicht mehr Blut besitzt?
Denn er allein ist heut ihr letzter Hort,
Ihr einz'ges Gut, auf das sie sich noch stützt.
Ihn hob sie auf, den Reichtum uns zu zeigen,
Der einst in bessern Tagen ihr zu eigen.


Käptn


"Humor ist wenn man es trotzdem macht !"

KäptnD Offline

Seebär


Beiträge: 509

17.10.2002 17:31
#79 RE:William Shakespeare Antworten

Sonett LXVIII

So ist sein Bild ein Blatt aus alten Tagen,
Da Schönheit wie die Blume wuchs und schwand,
Bevor der Fälschung Zeichen ward getragen
Und Stätte auf lebend'ger Stirne fand;
Da man noch nicht das Recht der Gräber stahl,
Den Toten ihre goldnen Locken raubte,
Um sie im Leben noch ein zweites Mal
Als Schmuck zu winden einem andern Haupte.
Die heilige Vergangenheit, sie lebt
Nur noch in ihm, der prunklos, treu und schlicht
Aus fremdem Grün nicht seinen Sommer webt,
Aus altem Raub nicht neue Schönheit flicht.
Durch ihn als letztes Muster werde klar
Der falschen Kunst, was einst die Schönheit war.


Käptn


"Humor ist wenn man es trotzdem macht !"

etoilee Offline

Sternschnuppe


Beiträge: 934

26.10.2002 20:32
#80 RE:William Shakespeare Antworten


Sonett LXIX

Dein Bild, das sich dem Blick der Welt entrollt,
Hat nichts, das Wünsche noch verbessern können;
Das ist ein Lob, das jeder Mund dir zollt,
Das dir als Wahrheit selbst die Feinde gönnen.
Dem äußern Glanz wird äußrer Ruhm als Lohn,
Jedoch die Lippe, die ihn gern dir bringt,
Zerstört ihr Lob durch einen andern Ton,
Sobald sie tiefer als das Auge dringt.
Denn wenn der Blick der geist'gen Schönheit gilt,
Die man nach deinen Taten schätzt und wägt,
Ist nicht das Urteil gleich dem Auge mild,
Da Moderduft aus deiner Blüte schlägt.
Wird nicht dein Bild durch holden Duft versüßt,
Der Grund ist der, daß du als Wildling blühst.

etoilee

etoilee Offline

Sternschnuppe


Beiträge: 934

26.10.2002 20:33
#81 RE:William Shakespeare Antworten


Sonett LXX

Nicht deine Schuld ist's, wenn die Welt dich schmäht,
Da Edles stets als Ziel dem Neide winkt
Und Schönheit der Verleumdung nie entgeht,
Der Krähe, die zu reinsten Sphären dringt.
Doch bist du gut, so wird durch sie dein Wert
Nur stolzer offenbart im Lauf der Zeit,
Die gleich dem Wurm an schönsten Knospen zehrt,
Und du bist eine Blüte unentweiht!
Entgangen bist du junger Tage Schlingen,
Im Kampfe siegreich oder unbekämpft;
Doch kann der Ruhm nicht soviel Ruhm erringen,
Daß er den Neid, der sich verbreitet, dämpft.
Wär' von Verleumdung nicht dein Bild umschleiert,
Als aller Herzen Herr wärst du gefeiert.

etoilee

KäptnD Offline

Seebär


Beiträge: 509

27.10.2002 00:41
#82 RE:William Shakespeare Antworten

Sonett LXXI


Nicht länger traure du um meinen Tod,
Als wie die Glocke klingt mit dumpfem Tone,
Der Welt verkündend, daß ich ihrer Not
Entgangen bin und bei den Würmern wohne.
Ja, liest du diese Zeilen, weihe mir
Kein Angedenken, da ich so dich liebe;
Daß besser ich vergessen bin von dir,
Als daß Erinnrung deine Brust betrübe.
Und wenn ich modre in des Todes Haus,
Und du wirst noch auf diese Lieder sehn,
So sprich nicht einmal meinen Namen aus;
Die Liebe laß mit meinem Tod vergehn,
Daß deinen Schmerz die kluge Welt nicht sieht
Und dich verlacht, wenn ich vom Leben schied.


Käptn


"Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt"

KäptnD Offline

Seebär


Beiträge: 509

27.10.2002 00:42
#83 RE:William Shakespeare Antworten

Sonett LXXII


Daß nicht die Welt dich frage, was es war,
Was ich getan, daß du noch übers Grab
Mich lieben sollst, vergiß mich ganz und gar
Da ich an mir nichts Liebenswertes hab'.
Falls keine fromme Lüge du erdenkst,
Die trefflicher als mein Verdienst mich preist,
Und nach dem Tod ein beßres Lob mir schenkst,
Als geiz'ge Wahrheit willig mir erweist.
Doch daß man dir als Falscheid nicht verargt,
Wenn deine Liebe eine Lüge spricht,
Sei mit dem Leib mein Name eingesargt
Und lebe dir und mir zur Schande nicht!
Denn mich beschämt, was ich auf Erden schrieb,
Und dir wär's Schmach, wär' dir so Schlechtes lieb.


Käptn


"Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt"

etoilee Offline

Sternschnuppe


Beiträge: 934

04.11.2002 09:40
#84 RE:William Shakespeare Antworten


Sonett LXXIII

Die Zeit des Jahres magst in mir du sehn,
Wenn spärlich letzte gelbe Blätter fallen,
Die Bäume kahl vor Kälte zitternd stehn,
Die Vögel schweigen in den öden Hallen;
In mir siehst du das letzte Dämmerlicht,
Das mit der Abendsonne still vergleitet,
Bis daß die dunkle Nacht herniederbricht,
Der andre Tod, und Ruhe rings verbreitet;
In mir siehst du das Flackern letzter Glut,
Die auf der Asche ihrer Jugendtage
Wie auf dem Sterbebett erlöschend ruht,
Sich selbst verzehrt im letzten Herzenschlage;
Siehst du mich so, der balde dich verläßt,
Hält deine Liebe mich so treuer fest.


etoilee

etoilee Offline

Sternschnuppe


Beiträge: 934

04.11.2002 09:41
#85 RE:William Shakespeare Antworten


Sonett LXXIV

Doch sei getrost! Wenn mich der harte Spruch
Des Todes ohne Schonung einst ereilt,
Lebt etwas noch von mir in diesem Buch,
Das zum Gedächtnis ewig bei dir weilt.
Und liest du es, so ist dir offenbart
Der Teil von mir, der sich dein eigen heißt;
Dem Staube wird sein Recht, der Staub, gepaart,
Doch bleibt bei dir der beßre Teil, mein Geist!
Oh, dann verlierst du nichts durch meinen Tod
Als leere Schlacke, nur des Wurms Vermächtnis,
Den Leib, der von der Schurken Dolch bedroht,
Zu widerwärtig ist für dein Gedächtnis.
Was sie umschließt, gibt erst dem Leben Wert,
Das lebt im Lied und bleibt dir unversehrt.


etoilee

KäptnD Offline

Seebär


Beiträge: 509

04.11.2002 19:57
#86 RE:William Shakespeare Antworten

Sonett LXXV


Du bist der Seele, was dem Leib das Brot,
Was für die Erde milder Frühlingsregen,
Und doch um dich empfind' ich Qual und Not
Wie je ein Geizhals seiner Schätze wegen.
Bald im Besitz frohlockend, daß du mein,
Bald zagend, daß die Zeit mir dich nicht gönnt,
Bald wünsch' ich, wär' ich nur mit dir allein,
Bald daß die ganze Welt mein Glück erkennt.
Bald schwelg' ich lang in deinem Angesicht,
Bald hungre ich nach einem einz'gen Blick,
Denn andre Freuden such' und hab' ich nicht,
Als du mir gibst, als von dir kommt das Glück.
So schwankend Tag für Tag in Lust und Pein,
Hab' ich bald nichts, und bald ist alles mein.


Käptn


"Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt"

KäptnD Offline

Seebär


Beiträge: 509

04.11.2002 19:58
#87 RE:William Shakespeare Antworten

Sonett LXXVI


Was bleiben allen neuen Reizen fern,
Eintönig, ohne Wechsel meine Sänge?
Und warum schiel' ich nicht, wie es modern,
Nach neuer Form und seltnem Wortgepränge?
Was schreib' ich immer gleich und eines nur
Und kleide meinen Sang nach alter Art,
Daß jede Silbe weist auf meine Spur
Und ihren Stamm und Herkunft offenbart?
Muß, Liebster, ich von dir doch immer singen!
Du und die Liebe bist mein ganzer Sang,
Mein Bestes ist, in neue Form zu bringen
Die alte Weise, die schon oft erklang.
Alt ist die Sonne, und doch täglich neu,
So bleibt mein Herz dem alten Liede treu.


Käptn


"Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt"

etoilee Offline

Sternschnuppe


Beiträge: 934

05.11.2002 12:28
#88 RE:William Shakespeare Antworten


Sonett LXXVII

Der Spiegel zeigt, wie deine Reize bleichen,
Der Zeiger deiner Stunden flücht'gen Lauf;
Dies Buch empfange deines Geistes Zeichen,
So steigt aus ihm dir diese Lehre auf:
Bei jenen Runzeln, die dein Spiegel weist,
Wird sich dein Sinn zu offnen Gräbern wenden,
Und wenn die Uhr mit Diebesschritten kreist,
Siehst du die Zeit im Ew'gen sich vollenden.
Vertrau', was dem Gedächtnis kann entschwinden,
Den Blättern an. Einst wirst du wohlbewahrt
Hier wieder deines Geistes Kinder finden,
Die deinem Herzen neue Freundschaft paart;
Dann werden sie, kehrst du dich oft zu ihnen,
Zum Vorteil dir, dem Buch zum Wachstum dienen.


etoilee

etoilee Offline

Sternschnuppe


Beiträge: 934

05.11.2002 12:28
#89 RE:William Shakespeare Antworten


Sonett LXXVIII

Sooft ich dich als Muse angefleht,
Gabst du mir Beistand, und so überreichen,
Daß jeder Dichter meinen Pfad jetzt geht
Und seine Kunst vertreibt in deinem Zeichen.
Dein Auge hat des Stummen Mund entsiegelt,
Zu höchstem Flug den dumpfen Sinn gelenkt,
Es hat des Meisters Schwingen selbst beflügelt
Und Anmut mit Erhabenheit beschenkt.
Dein höchster Stolz doch sei in meinen Tönen,
Die gänzlich dein sind, Kinder deiner Gunst;
Bei andern kannst du nur die Form verschönen
Und höchste Zierde leihen ihrer Kunst,
Doch meine ganze Kunst bist du! Du weihst
Zum Höchsten meinen ungelenken Geist.


etoilee

KäptnD Offline

Seebär


Beiträge: 509

05.11.2002 20:14
#90 RE:William Shakespeare Antworten

Sonett LXXIX

Als ich alleine deine Gunst errang,
Da war dein Zauber nur in meinem Lied,
Doch jetzt verfällt mein anmutreicher Sang,
Jetzt krankt die Muse, die vor andern flieht.
Ich weiß, mein Liebling, deine Gaben sind
Wohl würdig eines bessern Dichters Lieder,
Doch was dein Sänger je von dir ersinnt,
Raubt er dir nur und gibt es dir dann wieder.
Er leiht dir Tugend, und von deinem Wesen
Stahl er dies Wort; auf deinem Antlitz stand
Die Schönheit, die er rühmt, denn dir erlesen
Kann er kein Lob, das er nicht bei dir fand.
Drum dank' ihm nicht, wie sehr sein Lied auch prahlt,
Denn was er schuldet, wird von dir gezahlt.


Käptn


"Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt"

Seiten 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7
 Sprung  

Xobor Ein Kostenloses Forum | Einfach ein Forum erstellen
Datenschutz