Nicht les' ich in der Sterne Schicksalsbuch,
Und doch glaub' ich, versteh' ich diese Kunst:
Nicht meld' ich von der Zeiten Glück und Fluch,
Von Not und Seuchen und der Stunde Gunst;
Auch der Minuten Lauf verkünd' ich nicht,
Was jede bringt, ob Regen, Blitz und Winde,
Von keiner großen Fürsten Zukunft spricht
Die Weissagung, die ich am Himmel finde.
Aus deinen Augen schöpf' ich meine Kunde,
Den treuen Sternen, die mir prophezein:
Wahrheit und Schönheit blühn im ew'gen Bunde,
Wirst einen Erben du der Welt verleihn!
Sonst aber spricht die Zukunft laut zu mir:
Wahrheit und Schönheit sterben aus mit dir!
Bedenke ich, wie alles hier im Leben
Nur kurze Weile im Zenite kreist,
Wie in der Sterne unerforschtem Weben
Nur Schatten diese große Bühne weist;
Seh' ich der Pflanze gleich den Mensch erstehn,
Genährt vom gleichen Himmel und zerstört,
Im Vollbesitz der Jugendkraft vergehn,
Bis alles der Vergessenheit gehört;
Dann bei der Ahnung der Vergänglichkeit
Erscheinst du mir in jugendlicher Pracht,
Mit dem Verfall seh' ich im Kampf die Zeit,
Die deinen Tag versenkt in düstre Nacht.
Doch biet' ich Trotz ihr, ganz in Liebe dein,
Was sie dir nimmt, will ich dir neu verleihn.
Doch warum suchst du besser nicht zu schirmen
Dich vor der blutigen Tyrannin Zeit,
Und suchest stärkern Schutz vor ihren Stürmen
Dir, als mein unfruchtbares Lied verleiht?
In Mittaghöhe steht dein Lebenswagen,
Und mancher keusche Mädchengarten schwillt
Im Wunsch, lebend'ge Blüte dir zu tragen,
Die mehr dir gleicht als ein gemaltes Bild.
In Leben bliebe Leben dann erhalten,
Das nicht der Maler, nicht mein schwaches Wort,
Wie du so echt, so glänzend kann gestalten,
Daß es in aller Augen lebe fort.
Oh, gib dich hin, nur dann hast du Bestand
Und wirst bestehn, gemalt von eigner Hand.
Wird Glauben wohl dereinst mein Lied erwecken,
Sprech' ich von dir? Und doch der Himmel weiß,
Ein Grab sind meine Worte nur, die decken
Dein Leben, doch nicht künden deinen Preis!
Könnt' deine Reize ich zum Rhythmus fügen,
Beschreiben deiner Augen Harmonie,
Die Nachwelt spräch': "Des Dichters Worte lügen,
Himmlische Schönheit gab's auf Erden nie."
Und gelb vor Alter, würde mein Gesang
Als Greis verhöhnt, der viele Lügen schwätzt,
Dein gutes Recht als Dichterüberschwang,
Als blöder Fabeln Übermaß, geschätzt.
Wär' dann der Welt ein Sohn von dir verliehn,
Du lebtest doppelt durch mein Lied und ihn.
Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?
Er ist wie du so lieblich nicht und lind;
Nach kurzer Dauer muß sein Glanz verbleichen,
Und selbst in Maienknospen tobt der Wind.
Oft blickt zu heiß des Himmels Auge nieder,
Oft ist verdunkelt seine goldne Bahn,
Denn alle Schönheit blüht und schwindet wieder,
Ist wechselndem Geschicke untertan.
Dein ew'ger Sommer doch soll nie verrinnen,
Nie fliehn die Schönheit, die dir eigen ist,
Nie kann der Tod Macht über dich gewinnen,
Wenn du in meinem Lied unsterblich bist!
Solange Menschen atmen, Augen sehn,
Lebt mein Gesang und schützt dich vor Vergehn!
Allmächt'ge Zeit, des Löwen Pranke schwächen
Kannst du, du tilgst die ganze Erdenbrut,
Du kannst den scharfen Zahn des Tigers brechen,
Den Phönix töten in dem eignen Blut;
In deinem Laufe spende Not und Segen,
Und mit der Welt und ihrem Flitterstaat
Tu, was du willst, auf deinen flücht'gen Wegen;
Nur eins verbiet' ich dir, die schlimmste Tat:
Des Freundes schöne Stirne sollst du schonen,
Vor deinem Griffel bleibe sie gefeit,
Und lasse ihn für kommende Äonen
Als Vorbild aller Schönheit unentweiht.
Doch tu das Schlimmste selbst, trotz deiner Macht
Hat ew'ge Jugend ihm mein Lied erbracht.
Dir schuf Natur ein Frauenangesicht
Mit eigner Hand, Herr-Herrin meiner Seele,
Ein holdes Frauenherz, doch gab sie nicht
Den flücht'gen Sinn dir, der des Weibes Fehle.
Dein Auge strahlt wie ihr's, doch treu und echter,
Vergoldend jedes Ding, das sich ihm zeigt;
Ein Mann bist du, die Krone der Geschlechter,
Dem Mannesblick und Frauenherz sich neigt.
Zu einem Weib warst du zuerst bestimmt,
Bis schaffende Natur, in dich verliebt,
Dir das verlieh, was all mein Glück mir nimmt,
Die Gabe, die mir keinen Vorteil gibt.
Da sie dich formte für der Frauen Minne,
Weih mir dein Herz und ihnen deine Sinne.
Nicht jener Muse ähnelt mein Gedicht,
Die aufgeschminkte Reize nur entflammen,
Die, sich zu putzen, von dem Himmel spricht
Und alle Erdenschönheit trägt zusammen,
Um sich in prunkendem Vergleich zu paaren
Mit Sonne, Mond, dem Schatz der See, der Welt
Dem jungen Lenz und allem Wunderbaren,
Das sich gestaltet unterm Himmelszelt.
Nein, wahr, wie ich empfinde, will ich singen,
Und schöner, glaubt mir, ist kein Erdenkind
Als meine Liebe, wenn auf Ätherschwingen
Die goldnen Leuchten auch noch schöner sind!
Laß andre schwatzen, mehr will ich nicht sagen,
Ich will die Liebe nicht zu Markte tragen.
Dem Spiegel glaub' ich nimmer meine Jahre,
Solange dir die Jugend sich gesellt,
Doch wenn ich Furchen erst an dir gewahre,
Dann weiß ich, daß mein Leben auch verfällt.
Denn deine Schönheit, deiner Jugend Lust
Schließt nur mein Herz als prächt'ge Hülle ein,
Das in dir schlägt wie deins in meiner Brust;
Wie könnt' ich also älter als du sein?
Drum wahre, Liebster, dich in guter Pflege,
Wie ich für dich, für mich nicht bin bedacht,
Dein Herze hütend, das ich treulich hege
Wie eine Amme, die ihr Kind bewacht.
Du hast kein Herz mehr, wenn einst meines bricht,
Deins gabst du mir, zurück geb' ich es nicht.
Wie voller Angst ein schlechter Komödiant,
Der auf der Bühne seinen Spruch vergaß,
So wie ein Raubtier, das in Wut entbrannt,
Sich selber schwächt im Zornesübermaß;
So fehlt mir oft in schüchternem Verzagen
Die rechte Form, in der sich Liebe faßt,
Des Herzens Kraft scheint gänzlich zu versagen,
Erliegt sie schweigend meiner Liebe Last.
Dann mögen meine Blicke mich erklären,
Die stummen Boten der beredten Brust,
Die Liebe flehn und ihren Lohn begehren
Mit besserm Wort, als Lippen je bewußt.
Verstehst du ihre Sprache, wenn sie schweigen?
Augen, die hören, sind der Liebe eigen.
Mein Auge hat als Maler in dem Schrein
Des Herzens deinem Bild den Platz gegeben,
Mein Busen schließt es gleich dem Rahmen ein,
Um kunstgerecht des Malers Werk zu heben.
Und durch den Künstler kannst du nur die Stelle
Erspähen, der dein Bildnis ward vertraut;
Es hängt noch stets in meines Herzens Zelle,
Das Fenster sich aus deinen Augen baut.
Sieh, wie die Augen freundlich sich vereinen;
Meins malte dich, und deines ward dafür
Zu meines Busens Fenster, durch das scheinen
Die Sonnenstrahlen lustig hin zu dir.
Eins fehlt dem Auge nur, sein Werk zu schmücken:
Es malt die Form, das Herz bleibt fremd den Blicken.
Laß die, die in der Gunst der Sterne leben,
Mit Ehren prunken und der Titel Pracht,
Wenn einsam ich, dem kein Triumph gegeben,
Genieße, was mir größre Freude macht.
Wie in dem Sonnenstrahl die Ringelblume,
So blüht der Günstling großer Fürsten auf;
Doch wird er selbst zum Grab dem eignen Ruhme,
Ein Wink genügt und endet seinen Lauf.
Der narbenreiche Krieger, dessen Wehre
Nach tausend Siegen fehlt im ersten Streit,
Gestrichen ist er aus dem Buch der Ehre,
Und seine Taten deckt Vergessenheit.
Dann bin ich froh, ich lieb' und bin geliebt,
Wo es kein Schwanken und kein Wanken gibt.
Herr meiner Liebe, dem ich untertan,
Dem alle meine Dienste sind zu eigen,
Darf ich mich dir mit diesen Blättern nahn,
Dir meine Pflicht, nicht meinen Witz zu zeigen?
Pflicht, die so groß, daß mit so wenig Geist
Sie nackt und bedürftig scheint, um dir zu danken,
Doch hoffe ich, daß du der ärmsten leihst
Huldvoll das Kleid der eigenen Gedanken.
Bis daß der Stern, der meines Lebens Zeichen,
Sich freundlich mir mit holdem Scheine kehrt,
Des Bettlers Liebe ein Gewand zu reichen,
Das würdig deiner Neigung mich bewährt:
Dann ist's zu prahlen meinem Herz erlaubt,
Doch bis dahin verhülle ich mein Haupt.
Erschöpft werf' ich mich auf mein Lager nieder
Zur Rast, die wohl nach langer Reise tut,
Doch dann beginnt in meinem Haupte wieder
Die Wanderschaft, ob auch der Körper ruht.
Zu dir gehn die Gedanken dann zurück
Von hinnen auf der Sehnsucht Pilgerfahrt,
Sie halten offen meinen müden Blick,
Der, wie der Blinde, Dunkel rings gewahrt;
Nur daß der Blick der traumbeschwingten Seele
Dein Bild vor meines Geistes Auge stellt,
Das in dem Graun gleich flammendem Juwele
Die Nacht verschönt und jugendfroh erhellt.
So wird um dich und mich, vom Schlaf gemieden,
Am Tag dem Leib, der Seele nachts kein Frieden.
Wie kann ich denn zu altem Frohsinn kehren,
Da mir das Labsal süßer Ruhe fehlt,
Die Nächte nur die Last des Tages mehren
Und Tag und Nacht der gleiche Schmerz mich quält?
Die beiden alten Feinde, sie vereinen
Zu meiner größten Qual sich Hand in Hand:
Der Tag mit Mühsal und die Nacht zu weinen,
Daß jeder Schritt mich weiter von dir bannt.
Den Tag will ich versöhnen mit der Kunde,
Du seist sein Schmuck in dunkler Wolken Graun,
Dann schmeichle ich der Nacht schwarzäug'ger Stunde,
Du leuchtest ihr, wenn sonst kein Stern zu schaun.
Doch jeder Tag mehrt nur der Schmerzen Zahl,
Und jede Nacht schafft größer meine Qual.