Nimm alle, die ich liebe, allesamt!
Was hast du dann zu allem andern mehr?
Nicht eine Liebe, die vom Herzen stammt,
Denn alles Meine war schon dein vorher.
Wirbst du um die Geliebte meinetwegen,
Will ich's nicht tadeln, nimm die Liebe hin,
Doch zürn' ich, ist dir nichts an ihr gelegen,
Betrügt ein flücht'ger Reiz nur deinen Sinn.
Nimmst du auch meiner Armut letztes Gut,
Verzeih' ich seinen Raub dem süßen Diebe,
Doch Liebe weiß, nicht halb so bitter tut
Der offne Haß als Weh gekränkter Liebe.
Leichtfert'ge Anmut, die selbst Sünden kleiden,
Oh, foltre mich, doch laß uns nimmer scheiden!
Die kleinen Sünden, die dein loser Sinn
Manchmal begeht, wenn er nicht meiner denkt,
Gehn deiner Jugend, deiner Schönheit hin,
Da, wo du bist, Versuchung dich bedrängt.
Denn sanft bist du, und deshalb leicht zu kirren,
Und schön dazu, und deshalb heiß begehrt;
Und was vom Weibe stammt, wenn Weiber girren,
Wird rauhen Sinns von ihnen nicht betört?
Doch meiner Liebe solltest fern du bleiben;
So darf die Schönheit und die Jugend nicht
Dich zügellos im Sinnenrausche treiben,
Daß deine Schuld zwiefache Treue bricht:
Die ihre, die vor deiner Lockung fällt,
Und deine, die die Freundschaft mir nicht hält.
Daß du sie hast, ist nicht mein größter Schmerz,
Und doch hab' ich von Herzen sie geliebt;
Daß sie dich hat, gibt dem gequälten Herz
Den schwersten Schlag, der bittrer mich betrübt.
Doch für euch, Liebessünder, will ich sprechen:
Du liebst sie nur, weil sie mir teuer ist,
Und sie mag mir die Treue einzig brechen
Und dir sich eignen, weil mein Freund du bist.
Verlier' ich dich, ist der Gewinn der ihre,
Und lass' ich sie, ist Vorteil dir erbracht:
Zwei finden sich, die beide ich verliere,
Zwei, die aus Liebe elend mich gemacht.
Doch da ein Wesen nur mein Freund und ich,
O süßer Trost! so liebt sie einzig mich!
Klar seh' ich erst, wenn sich mein Auge schließt,
Das auf des Tages Bilder gern verzichtet,
Doch wenn in Träumen es dein Bild genießt,
Dann ist es hell in Finsternis gerichtet.
Dein Schatten schon verklärt die dunkle Nacht,
Wie würdest du mich leibhaft erst beglücken
Am hellen Tag mit deiner hellern Pracht,
Wenn schon dein Abglanz Blinde kann entzücken!
Oh, dürft' ich am lebend'gen Tag dich schauen,
Mein Auge wäre gnadenreich begabt,
Wenn schon dein Umriß in der Nächte Grauen
Mit holdem Schein geschloßne Augen labt!
Nacht ist der Tag, der mir dein Bild entzieht,
Und Tag die Nacht, die dich im Traume sieht.
Wär' meines Körpers schwerer Stoff Gedanke,
Nicht hielte mich feindsel'ge Ferne auf,
Vom letzten Ende, trotzend jeder Schranke,
Nähm' ungehindert ich zu dir den Lauf.
Gleichgültig wär's, ob an entlegner Stelle
Ich stände, an dem allerfernsten Strand,
Denn wie sein Ziel er denkt, mit Windesschnelle
Eilt der Gedanke über Meer und Land.
Weh mir, daß kein Gedanke mich belebt,
Die weite Strecke mich zu dir zu tragen,
Daß schwerer Stoff an meiner Seele klebt
Und mich zu bleiben zwingt mit meinen Klagen!
Wasser und Land, die zwischen uns sich dehnen,
Den Elementen dank' ich meine Tränen.
Doch zarte Luft und lautres Feuer wanken,
Die andern Elemente, nicht von dir;
Als meine Wünsche sind sie und Gedanken
Im raschen Fluge wechselnd dort und hier.
Und weilt, wenn es dir Liebesbotschaft kündet,
Mir fern der flinkern Elemente Paar,
Verfällt mein Leben, das auf vier gegründet,
Mit zwei allein, in Elend und Gefahr.
Bis alle Lebenskräfte sich erneuen,
Durch jener Boten Wiederkunft erstehn,
Die von dir kehren und mein Ohr erfreuen
Mit gutem Wort, daß sie dich wohl gesehn.
Dann juble ich, doch kurz nur währt mein Glück,
Denn traurig werd' ich, send' ich sie zurück.
Mein Herz und Auge sind sich tödlich feind,
Die sich um deinen Vollbesitz beneiden:
Mein Auge hat des Herzens Recht verneint
An deinem Bild, mein Herz will das nicht leiden.
Mein Herz behauptet, daß du in ihm seist,
Im Schrein, den kein kristallner Blick erspähe,
Ein Anspruch, den zurück der Gegner weist,
Da nur in ihm dein schönes Bild bestehe.
Und den Gedanken wird, der Brust Insassen,
Die Frage zur Entscheidung vorgeführt,
Die im gerechten Urteilspruche fassen,
Was hellem Aug' und treuem Herz gebührt:
Das Auge soll den äußern Teil behalten,
Das Herz als Herr der innern Liebe walten.
Nun ist der Friede wieder eingekehrt,
Und Herz und Auge haben sich vertragen:
Wenn sich mein Aug' um einen Blick verzehrt,
Und wenn das Herz erstickt in seinen Klagen,
So schwelgt mein Aug' in deinem süßen Bild
Und lädt das Herz zum farbenfrohen Fest,
Bald daß mein Herz die Gastfreundschaft vergilt
Und sein Gefühl das Auge teilen läßt.
So bleibst du nach, magst du auch ferne weilen,
Sei es im Bilde oder Liebe mir,
Denn den Gedanken kannst du nicht enteilen,
Und ihnen folg' ich immer wie sie dir;
Und schlafen sie, so weckt in meiner Brust
Dein Bild das Herz zu Herz- und Augenlust.
Wie sorgsam barg ich allen meinen Tand,
Bevor ich schied, in wohlverschloßner Truhe,
Daß unberührt er mir von fremder Hand
In treuer Hut vor Dieben sicher ruhe.
Doch du, der mehr als aller Reichtum zählt,
Du höchster Trost und Kummer meiner Liebe,
Mein größter Schatz, der mich am meisten quält,
Du bleibst als Beute dem gemeinsten Diebe.
Dich schloß ich nicht im festen Spinde ein,
Nur dort, wo du nicht bist und dennoch weilest,
In meines Busens stillverborgnem Schrein,
Wo du nach Wunsch dich aufhältst und enteilest.
Und hier selbst bist du diebessicher nicht,
Da solch ein Preis selbst Ehrlichkeit besticht.
Für jene Zeit, falls je die Zeiten nahn,
Da finster du auf meine Fehler siehst,
Da deiner Liebe reicher Schatz vertan
Und klug du deiner Freundschaft Rechnung ziehst;
Für jene Zeit, da fremd du gehst einher,
Kein Strahl mich deines Sonnenauges streift,
Da deine Liebe, alt und inhaltleer,
Sich streng in hohler Förmlichkeit versteift;
Für jene Zeit hab' ich schon klar erkannt,
Wie niedrig mein Verdienst und meine Art,
Und gegen mich erheb' ich meine Hand,
Daß sie das Recht zu deinen Gunsten wahrt:
Dein Recht, mich zu verstoßen, kenn' ich an,
Da mir kein Anspruch deine Huld gewann.
Wie müde zieh' ich meinen Pfad von hinnen,
Wenn selbst das Ziel, das meine Qual ersehnt,
Mir Rast nur gibt, um traurig nachzusinnen
Der Meilen Zahl, die zwischen uns sich dehnt.
Mein Gaul trabt langsam unter meiner Last,
Als trage meinen Kummer er mit mir,
Als wisse er, sein Herr kennt keine Hast,
Wenn weiter er sich stets entfernt von dir.
Der blut'ge Sporn kann ihn nicht schneller regen,
Der ärgerlich in seine Flanke dringt,
Ein Seufzer tönt als Antwort mir entgegen,
Der mir mehr Weh als ihm der Stachel bringt.
Ein Echo findet er in meiner Brust,
Der Gram liegt vor mir, hinter mir die Lust.
So kann die Liebe, geht es fort von dir,
Dem trägen Roß Entschuldigung erteilen;
Denn lass' ich dich, was soll das Hasten mir?
Doch bei der Heimkehr, da gilt es zu eilen!
Ob Nachsicht dann der arme Gaul gewinnt,
Wenn schnellste Jagd mich träge dünken mag?
Dann spornte ich, und ritt' ich auf dem Wind,
Bewegungslos schien' mir sein Flügelschlag.
Dann folgt kein Pferd der Sehnsucht raschem Zug,
Dann brause sie, befreit von Erdenschwere,
Des Herzens reinster Sproß, im Flammenflug;
Doch so verzeiht die Liebe meiner Mähre:
Träg zog sie aus, ich ließ es gern geschehn,
Ich sause heim, mag sie gemächlich gehn.
Dem Reichen gleich' ich, dessen Schlüssel kann
Kostbare Schätze seinem Blick erschließen,
Jedoch beschaut er sie nur dann und wann,
Nicht abzustumpfen seltenes Genießen.
Deshalb sind Feste heilig und geschätzt,
Weil sie dem langen Jahre spärlich nur
Wie Edelsteine karg sind eingesetzt,
Wie Diamanten in die Perlenschnur.
Dem Schreine gleicht die Zeit, der dich enthält,
Dem Schranke, der das Festgewand verwahrt
Und den verborgnen Schatz zum Schmuck der Welt
Bei seltnen Festen selten offenbart.
Dich segne ich! Du gibst mir höchste Ehre,
Wenn ich dich halte; Hoffnung, wenn entbehre.