Ich will unter keinen Umständen ein Allerweltsmensch sein.
Ich habe ein Recht darauf, aus dem Rahmen zu fallen, wenn ich es kann.
Ich wünsche mir Chancen, nicht Sicherheiten.
Ich will kein ausgehaltener Bürger sein, gedemütigt und abgestumpft,
weil der Staat für mich sorgt.
Ich will dem Risiko begegnen,
mich nach etwas zu sehnen und es zu verwirklichen,
Schiffbruch zu erleiden und Erfolg zu haben.
Ich lehne es ab,
mir den eigenen Antrieb mit einem Trinkgeld abkaufen zu lassen.
Lieber will ich den Schwierigkeiten des Lebens entgegentreten,
als ein gesichertes Dasein zu führen,
lieber die gespannte Erregung des eigenen Erfolgs als die dumpfe Ruhe Utopiens.
Ich will weder meine Freiheit gegen Wohltaten hergeben noch meine Menschenwürde gegen milde Gaben.
Ich habe gelernt,
selbst für mich zu denken und zu handeln,
der Welt gerade ins Gesicht zu sehen und zu bekennen:
dies ist mein Werk.
etoilee
"Tatsächlich ist alles Wirken des Menschen nur als eine Betätigung verständlich, die auf Erhalt und Förderung eigenen und anderen Daseins gerichtet ist.
In dem Willen zum Wirken gibt sich Geistiges und Ethisches kund. Geistiges erhält er insofern, als es den Menschen Ziele verfolgen läßt, die ihn über sich selbst hinausführen; ethisch ist er dadurch, daß er ihn sein Leben an anderes Leben hingeben läßt. In ihrem ersten Auftreten sind das Geistige und das Ethische also eng untereinander verbunden. Das Geistige äußert sich als Ethisches.
Aus dem ethisch gerichteten Willen zum Wirken empfangen die Vorstellung vom Glücklichsein und die vom Rechttun ihre Bestimmtheit. Befriedigung im Wirken wird als Glücklichsein, Hingabe an Wirken als Rechttun erlebt."
Völkerrecht steht gegen Atomwaffen und ihre Erprobung"
Albert Schweitzer im Oktober 1958 an Pablo Casals
"Nun gilt es, den Kampf für die Abschaffung der Atom- und Kernwaffen aufzunehmen. Um dies zu erreichen, muss man in der ganzen Welt eine dahingehende Meinung schaffen. In diesem Kampf muss man das elementarste und einleuchtendste Argument anführen. Dieses Argument lautet:
Die Atom- und Kernwaffen verstoßen gegen das Völkerrecht. In der Tat verbietet das Völkerrecht Waffen, deren Wirkungen sich nicht begrenzen lassen und daher unbegrenzte Schäden verursachen, die auch Menschen außerhalb der Kampfzone treffen. Das ist bei den Atom- und Kernwaffen der Fall. Ihre Wirkung ist so sehr unbegrenzt, dass sogar die Versuche in Friedenszeiten eine fürchterliche Gefahr auch für weit entfernte Bevölkerungen darstellen. Das Argument, dass diese Waffen durch das Völkerrecht verboten sind, enthält alles, was man gegen sie vorbringen kann. Es hat den Vorteil, ein juristisches Argument zu sein. In jedem Kampf gegen die Existenz der Atom- und Kernwaffen muss daher bei allen Völkern die Parole sein, dass diese gegen das Völkerrecht verstoßen. Wenn der Kampf auf diese Art geführt wird, wird er zum gewünschten Ergebnis führen.
Keine Regierung kann leugnen, dass diese Waffen gegen das Völkerrecht verstoßen ... und das Völkerrecht kann nicht beiseite geschoben werden! Es ist sehr wichtig, dass diese Auffassung der Dinge bekannt wird."
"Keiner von uns darf ein Weh, für das die Verantwortung nicht zu tragen ist, geschehen lassen, soweit er es nur hindern kann. Keiner darf sich dabei beruhigen, dass er sich damit in Sachen mischen würde, die ihn nichts angehen. Keiner darf die Augen schließen und das Leiden, dessen Anblick er sich erspart, als nicht geschehen ansehen. Keiner mache sich die Last seiner Verantwortung leicht. Wenn so viel Misshandlung der Kreatur vorkommt, wenn der Schrei der auf dem Eisenbahntransport verdurstenden Tiere ungehört verhallt, wenn in unsern Schlachthäusern so viel Rohheit waltet, wenn in unsern Küchen Tiere von ungeübten Händen qualvollen Tod empfangen -.
Wenn Tiere durch unbarmherzige Menschen Unmögliches erdulden oder dem grausamen Spiele von Kindern ausgeliefert sind, tragen wir alle Schuld daran.
Wo ich irgendwelches Leben schädige, muss ich mir darüber klar sein, ob es notwendig ist. Über das Unvermeidliche darf ich in nichts hinausgehen, auch nicht in scheinbar Unbedeutendem. Der Landmann, der auf seiner Wiese tausend Blumen zur Nahrung für seine Kühe hingemäht hat, soll sich hüten, auf dem Heimweg in geistlosem Zeitvertreib eine Blume am Rande der Landstraße zu köpfen.
Diejenigen, die an Tieren Operationen oder Medikamente versuchen oder ihnen Krankheiten einimpfen, um mit den gewonnenen Resultaten Menschen Hilfe bringen zu können, dürfen sich nie allgemein dabei beruhigen, dass ihr grausames Tun einen wertvollen Zweck verfolge.
In jedem einzelnen Falle müssen sie erwogen haben, ob wirklich Notwendigkeit vorliegt, einem Tiere dieses Opfer für die Menschheit aufzuerlegen.
Und ängstlich müssen sie darum besorgt sein, das Weh, so viel sie nur können zu mildern.
Wie viel wird in wissenschaftlichen Instituten durch versäumte Narkosen, die man der Zeit- und Müheersparnis halber unterlässt, gefrevelt! Wie viel auch dadurch, dass Tiere der Qual unterworfen werden, nur um Studenten allgemein bekannte Phänomene zu demonstrieren!
Wo irgendwo das Tier zum Dienst der Menschen gezwungen wird, muss jeder von uns mit den Leiden beschäftigt sein, die es um dessentwillen zu tragen hat.
So sehr mich das Problem des Elends in der Welt beschäftigt, so verlor ich mich doch nie in Grübeleien darüber, sondern hielt mich an den Grundgedanken, dass es jedem von uns verliehen sei, etwas an diesem Elend zum Aufhören zu bringen!
"Verzicht auf Denken ist geistige Bankrotterklärung"
Albert Schweitzer, 1931
"Aus meinem Leben und Denken"
"Wo die Überzeugung aufhört, dass die Menschen die Wahrheit durch ihr Denken erkennen können, beginnt der Skeptizismus.
Diejenigen, die daran arbeiten, unsere Zeit in dieser Art skeptisch zu machen, tun dies in der Erwartung, dass die Menschen durch Verzicht auf selbst erkannte Wahrheit zur Annahme dessen, was ihnen autoritativ und durch Propaganda als Wahrheit aufgedrängt werden soll, gelangen werden.
Die Rechnung ist falsch. Wer der Flut des Skeptizismus die Schleusen öffnet, dass sie sich über das Land ergießen soll, darf nicht erwarten, sie nachher eindämmen zu können. Nur ein kleiner Teil derer, die sich entmutigen lassen, in eigenem Denken Wahrheit erreichen zu wollen, findet Ersatz dafür in übernommener Wahrheit.
Die Masse selber bleibt skeptisch. Sie verliert den Sinn für Wahrheit und das Bedürfnis nach ihr und findet sich darin, in Gedankenlosigkeit dahinzuleben und zwischen Meinungen hin- und hergeworfen zu werden.
Aber auch das Übernehmen autoritativer Wahrheit mit geistigem und ethischem Gehalt bringt den Skeptizismus nicht zum Aufhören, sondern deckt ihn nur zu. Der unnatürliche Zustand, dass der Mensch nicht an eine von ihm selber erkennbare Wahrheit glaubt, dauert an und wirkt sich aus.
Die Stadt der Wahrheit kann nicht auf dem Sumpfboden des Skeptizismus erbaut werden. Weil unser geistiges Leben durch und durch mit Skeptizismus durchsetzt ist, ist es durch und durch morsch. Darum leben wir in einer Welt, die in jeder Hinsicht voller Lüge ist. An der Tatsache, dass wir auch die Wahrheit organisieren wollen, sind wir im Begriffe, zugrunde zu gehen.
Die übernommene Wahrheit des gläubig gewordenen Skeptizismus hat nicht die geistigen Qualitäten der im Denken entstandenen. Sie ist veräußerlicht und erstarrt. Sie bekommt Einfluss auf den Menschen, aber sie vermag nicht, sich mit seinem Wesen von innen her zu verbinden. Lebendige Wahrheit ist nur die, die im Denken entsteht.
Wie der Baum Jahr für Jahr dieselbe Frucht, aber jedes Mal neu bringt, so müssen auch alle bleibend wertvollen Ideen in dem Denken stets von neuem geboren werden. Unsere Zeit aber will es unternehmen, den unfruchtbaren Baum des Skeptizismus dadurch fruchtbar zu machen, dass sie Früchte der Wahrheit an seine Zweige bindet.
Allein durch die Zuversicht, in unserem individuellen Denken zu Wahrheit gelangen zu können, sind wir für Wahrheit aufnahmefähig."
1920, mit 45 Jahren schreibt Albert Schweitzer über seine Ideale der Jugendzeit:
"Die Überzeugung, dass wir im Leben darum zu ringen haben, so denkend und so empfindend zu bleiben, wie wir es in der Jugend waren, hat mich wie ein treuer Berater auf meinem Wege begleitet. Instinktiv habe ich mich dagegen gewehrt, das zu werden, was man gewöhnlich unter einem "reifen Menschen" versteht.
Der Ausdruck "reif" auf den Menschen angewandt, war mir und ist mir noch immer etwas Unheimliches. Ich höre dabei die Worte Verarmung, Verkümmerung, Abstumpfung als Dissonanzen miterklingen. Was wir gewöhnlich als Reife an einem Menschen zu sehen bekommen, ist eine resignierte Vernünftigkeit. Einer erwirbt sie sich nach dem Vorbilde anderer, indem er Stück um Stück die Gedanken und Überzeugungen preis gibt, die ihm in seiner Jugend teuer waren. Er glaubte an die Menschen; jetzt nicht mehr. Er glaubte an das Gute; jetzt nicht mehr. Er eiferte für Gerechtigkeit; jetzt nicht mehr. Er vertraute in die Macht der Gütigkeit und der Friedfertigkeit; jetzt nicht mehr. Er konnte sich begeistern; jetzt nicht mehr. Um besser durch die Fährnisse und Stürme des Lebens zu schiffen, hat er sein Boot erleichtert.
Er warf Güter aus, die er für entbehrlich hielt. Aber es war der Mundvorrat und der Wasservorrat, dessen er sich entledigte.
Nun schifft er leichter dahin, aber als verschmachtender Mensch.
In meiner Jugend habe ich Unterhaltungen von Erwachsenen mitangehört, aus denen mir eine das Herz beklemmende Wehmut entgegenwehte. Sie schauten auf den Idealismus und die Begeisterungsfähigkeit ihrer Jugend als auf etwas Kostbares zurück, das man sich hätte festhalten sollen. Zugleich betrachten sie es als eine Art Naturgesetz, dass man das nicht könne.
Da bekam ich Angst, auch einmal so wehmütig auf mich selber zurückschauen zu müssen. Ich beschloss, mich diesem tragischen Vernünftigwerden nicht zu unterwerfen. Was ich mir in fast knabenhaftem Trotze gelobte, habe ich durchzuführen versucht.
Zu gern gefallen sich die Erwachsenen in dem traurigen Amt, die Jugend darauf vorzubereiten, daß sie einmal das meiste von dem, was ihr jetzt das Herz und den Sinn erhebt, als Illusion ansehen wird. Die tiefere Lebenserfahrung aber redet anders zu der Unerfahrenheit:
Sie beschwört die Jugend, die Gedanken, die sie begeistern, durch das ganze Leben hindurch festzuhalten.
Im Jugendidealismus erschaut der Mensch die Wahrheit. In ihm besitzt er einen Reichtum, den er gegen nichts eintauschen soll."